Stufenweise Wiedereingliederung – darf der Arbeitgeber dem Arbeitnehmenden eine neue Tätigkeit zuweisen?

Während einer stufenweisen Wiedereingliederung ist der Arbeitnehmende arbeitsunfähig, d.h. wegen Krankheit unfähig seine arbeitsvertraglich geschuldete Leistung (sowohl im zeitlichen und ggf. auch im inhaltlichen oder örtlichen Umfang) zu leisten.

Während dieser Zeit wird er grundsätzlich von der KK, der DRV, der BA, dem Jobcenter oder der BG bezahlt. Wir haben nun zwei Rechtsgebiete zu beleuchten:

  1. Das Arbeitsrecht (was darf der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber?)
  2. Das Sozialrecht (kann der Leistungsträger die Zahlung verweigern, wenn die stufenweise Wiedereingliederung nicht das ist, was sie sein soll?

Beginnen wir mit der arbeitsrechtlichen Frage des Direktionsrechts während einer Arbeitsunfähigkeit. Hierzu gibt es ein schönes Urteil des BAG vom 02.11.2016 – 10 AZR 596/16, das sich damit (indirekt) auseinandergesetzt hat.

Rn 28 bb) Während der Dauer einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit hat der Arbeitgeber kein Weisungsrecht gemäß § 106 GewO, soweit es Pflichten betrifft, von deren Erfüllung der Arbeitnehmer krankheitsbedingt befreit ist.

Nur, was ist, wenn er dem Arbeitnehmer andere Tätigkeiten zuweisen möchte?

Wenn die Zuweisung anderer Tätigkeiten auch ohne die Erkrankung des Mitarbeitenden erfolgt wäre, hindert die stufenweise Wiedereingliederung den Arbeitgeber nicht daran, soweit diese Tätigkeiten nicht gesundheitsschädlich sind (s.o.). Dies ergibt sich aus dem weiteren Wortlaut des Urteils.

Rn. 33 Mitte: Ein dringender betrieblicher Anlass für eine solche Weisung kann auch gegeben sein, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über aktuell bevorstehende Änderungen des Arbeitsablaufs, die erhebliche Auswirkungen auf den Arbeitsplatz des Arbeitnehmers haben, informieren und seine Meinung dazu einholen möchte, oder wenn er mit ihm über seine Bereitschaft sprechen will, eine neue Arbeitsaufgabe zu übernehmen, bevor die Stelle anderweitig besetzt wird.

Wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmenden jedoch aufgrund der stufenweisen Wiedereingliederung bzw. der Erkrankung eine andere Tätigkeit zuweisen möchte, ist dies einzelfallbezogen zu betrachten (so auch Kommentierung von Dürwell, § 44 Rn 11).

Eine standardisierte Betrachtungsweise ist nicht möglich, so dass der zwischen allen Beteiligten einvernehmlich zu findenden Lösung unter Berücksichtigung der Umstände des konkret-individuellen Einzelfalls maßgeblich Bedeutung zukommt (so auch die Empfehlung des G-BA). Wege und Ausgestaltung der stufenweisen Wiedereingliederung richten sich im Einzelfall jeweils nach den vertraglichen Vereinbarungen der Arbeitsvertragsparteien.

Die Möglichkeiten zur stufenweisen Wiedereingliederung sind bei freiwilliger Mitwirkung des Arbeitgebers sozialrechtlich weder durch die Arbeitsunfähigkeitsrichtlinie des G-BA begrenzt, noch ergeben sich Leistungskürzungen, wenn andere Wege beschritten werden.

Sozialrechtlich ist jedoch zu beachten, dass als medizinische Voraussetzung für eine stufenweise Wiedereingliederung insbesondere eine ausreichende Belastbarkeit (Rehafähigkeit) verlangt wird und die Prognose, dass die stufenweise Wiedereingliederung wieder zur Herstellung der Arbeitsfähigkeit am alten Arbeitsplatz (positive Rehabilitationsprognose) führen wird, gegeben sein muss. Die Versicherten müssen in der Lage sein, zumindest teilweise die bisherige Tätigkeit zu verrichten.

Wenn nun eine völlig neue Tätigkeit (außerhalb der vertraglichen Vereinbarung) dem Mitarbeitenden angeboten wird, weil er/ sie die ursprüngliche Tätigkeit so gar nicht mehr schaffen sollte, könnte der Rehaträger die Kostentragung der stufenweisen Wiedereingliederung verweigern (weil die Rehafähigkeit nicht gegeben ist und auch eine positive Prognose für den Arbeitsplatz fehlt).

Daher sollte bei einer Änderung der Tätigkeit während der stufenweisen Wiedereingliederung grundsätzlich der jeweilige Kostenträger mit ins Boot geholt werden.